Kappe 11 - Kunstmord by Petra A. Bauer

Kappe 11 - Kunstmord by Petra A. Bauer

Autor:Petra A. Bauer [Bauer, Petra A.]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-89773-642-9
veröffentlicht: 2015-04-23T22:00:00+00:00


ELF

HINTERHER konnte Victor nicht mehr sagen, wo alles Unglück seinen Anfang genommen hatte, wann die Weichen dafür gestellt worden waren, dass alles so gekommen war.

War es der Moment, als Alfons davon sprach, wie rasend eifersüchtig Karl Kasulke war, wenn es um Eva ging? Oder der Augenblick, in dem er sich entschied, Kasulke diese Lüge aufzutischen, um ihn in Alfons’ Kellerloch zu lotsen? War es, als er das Haus verließ und sein Bild als miese Kopie aus der Hand des angeblichen Freundes entdeckte?

Hätte er an dem Abend, als er ins «Max und Moritz» ging und Alfons kennenlernte, lieber in seiner Dachkammer verweilen sollen? Oder lag der Scheidepunkt noch viel weiter zurück? War das Entscheidende die Parisreise, auf der sein Vater ungewollt die ihm verhasste Leidenschaft seines Sohnes erweckte: die Malerei?

Wer vermochte das heute noch zu sagen?

Victor schlug die Hände vors Gesicht und schüttelte den Kopf, als könne er damit die Ereignisse der letzten Stunden ungeschehen machen.

Wieso nur hatte er Evas Verlobten aufgesucht? Einen Denkzettel hatte er Alfons verpassen wollen. Nun gut, es war mehr: Er wollte Rache! Doch wäre es nicht wirklich besser gewesen, mit Alfons über seine freche Kopie zu sprechen? Möglichst bevor er die Galerie verwüstet hatte? Hätte er nicht irgendetwas anderes tun können, als ausgerechnet den jähzornigen Karl auf seinen einzigen Freund zu hetzen – auch wenn dieser Freund sich als Lump erwiesen hatte?

Plötzlich fiel ihm Eva ein. Was hatte er getan? Bestimmt würde Kasulke seine unbändige Wut auch an ihr auslassen. Er musste sie schützen! Falls es noch nicht zu spät war.

Doch er war unfähig, sich auch nur um einen Zentimeter zu rühren.

Wieder hatte er das Bild vor Augen: Alfons, das Blut, der Kerzenleuchter. Karl Kasulke, der auf ihn einschlug. Er selbst, der sich in den dunklen Kellergang zurückzog, als der Hüne mit Alfons fertig war und, ohne ihn zu bemerken, aus der buntbemalten Tür stürmte, die Treppe hoch, nach draußen, dorthin, wo die Menschen lebendig waren.

Weshalb nur war er nicht ebenfalls gegangen? Seine Schuld war auch so schon groß genug. Doch er wollte den toten Alfons nicht in der Kellerwohnung lassen. Zu schnell wäre eine Verbindung zu ihm selbst herzustellen. Sobald die Polizei wüsste, wer Alfons war, würden sie seine Freunde aufsuchen. Es war doch immer so, dass jeder jeden um ein paar Ecken herum kannte, und dann würden sie bald vor seiner Tür stehen.

Er musste sich Zeit zum Nachdenken verschaffen. Ohne zu begreifen, was er tat, hatte er Alfons’ Taschen durchsucht und alles entfernt, was möglicherweise darauf schließen ließ, wer er war. Dann hatte er den Vorhang heruntergerissen und begonnen, den Leichnam darin einzuwickeln. Wie groß war sein Schock gewesen, als der vermeintlich Tote seine Augen öffnete und Victor direkt anstarrte! Diese Szene und alles, was danach geschah, lief noch einmal vor Victors Augen ab.

Danach erbrach er sich.

Er hätte Alfons helfen müssen. Ein blaues Auge war eine Sache. Da hätte Alfons sicher nichts gesagt – schließlich musste auch ihm klar gewesen sein, dass diese dreiste Fälschung nicht ohne Folgen bleiben würde. Doch nachdem alles aus dem Ruder gelaufen war, hätte Alfons reagieren müssen.



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